Nach den reißerischen Blogartikeln der letzten Jahre über teuflische Besessenheit, Feen und Geister, ist mir dieses Samhain eher nach etwas spirituell Förderlichem zu Mute. Beim Thema Ahnen denkt man hierzulande normalerweise nicht weiter als bis zu den Urgroßeltern. Das ist spirituell gesehen ein großes Hindernis.
Die meisten modernen Menschen haben ein eher kompliziertes Verhältnis zu ihrer Familie. Selbst wenn sie Samhain mit ihren lieben Verstorbenen feiern, mischt sich oft so etwas wie Schuld, Scham und alter Groll in die Ahnenverehrung. Da war die Mutter mit der Kindererziehung überfordert, der Opa ein Nazi und der Uropa ein cholerischer Gutsherr. Die Kraft, die einem eigentlich aus seiner Ahnenreihe zuwachsen sollte, kann so gar nicht erst aufkommen. Das ist sehr schade, weil der eigenen Spiritualität damit die Wurzeln fehlen.
Andere Kulturen umschiffen die familiären Verwerfungen sehr geschickt und verehren viel weiter zurück liegende Ahnen, die oft den Status von Halbgöttern haben. Diese Ahnen sind teilweise historische Personen, wie der japanische Kaiser, aber vor allem mythologische Helden und Gründerväter bzw. Stammmütter. So kann jeder Angehörige eines Stammes seine Abstammung auf einen Halbgott zurückführen, wenn er nur weit genug in seiner Ahnenreihe zurück geht. Durch die Ahnenverehrung stärkt er seine Verbindung zu diesem Halbgott und gewinnt auch selbst an Kraft.
Auch in unseren Breiten gab es einmal verschiedenste Stammeskulturen, von denen heute nur noch Landschaftsnamen (wie ‚Friesland‘, ‚Franken‘ oder ‚Sachsen‘) zeugen. Schriftliche Zeugnisse haben uns diese Stämme nicht hinterlassen. Alles was wir über sie wissen kommt von den Römern, die große Teile Germaniens erobert hatten. Für wie zuverlässig man diese römischen Berichte hält, darf jeder selbst entscheiden. Leider haben wir nichts Besseres. Wer einmal selbst nachlesen möchte, wie er mit den Göttern Tuisto und Mannus verwandt ist, kann das in der Germania von Tacitus tun. Hier eine alte digitalisierte Ausgabe: https://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/108171/1
Diese Wurzeln zu unserem Land und unseren Ahnen wurden von den Römern das erste Mal getrennt, wenn auch nicht so energisch und grausam, wie später von den Christen. Die Römer führten in den eroberten Ländern den Kaiserkult ein. Man war also verpflichtet, dem römischen Kaiser zu huldigen und zu opfern. Auch die Verehrung der römischen Götter kam letzten Endes wieder dem Kaiser zu Gute. Julius Cäsar sah z.B. Venus als die Stammmutter seiner Familie an.
So haben wir hier die Verbindung zur Kraft unserer Ahnen eingebüßt und stattdessen mit unserer Verehrung andere groß gemacht – erst die römischen Kaiser und dann die christliche Kirche. Heute ist ein guter Tag, ein paar Würzelchen wachsen zu lassen und Kontakt auch zu den weiter entfernten Ahnen aufzunehmen. Für die Leute aus Westfahlen habe ich da einen ganz heißen Tipp: Veleda aus dem Stamm der Brukterer (habe ihr versprochen sie in diesem Artikel zu erwähnen).
In diesem Sinne wünsche ich allen ein schönes Samhain.
|
|