Nachdem das heutige astrologische Großereignis sogar im lokalen Anzeigenblatt gewürdigt wurde, muß ich auch noch meinen Senf dazu geben. Und vielleicht aus astrologischer Sicht ein paar Sachen über die Konjunktion von Jupiter und Saturn, die im allgemeinen Hype etwas untergehen, richtig stellen.
Da Saturn den Tierkreis in etwa 29 Jahren umrundet und Jupiter in ca. 12 Jahren, findet die Konjunktion der beiden Planeten mit schönster Regelmäßigkeit alle 20 Jahre statt. Das ist aber nicht ihre einzige Periodizität. Die Planeten treffen sich ca. 200 Jahre lang immer im gleichen Element (allerdings sind gelegentliche Rückfälle in das vorherige Element möglich) und wenn in 800 Jahren alle 4 Elemente des Tierkreises durchwandert sind, beginnt der Zyklus von neuem.
Um die Entwicklung von Politik, Gesellschaft und Weltanschauungen durch die Zeiten zu verfolgen, gibt es keine besseren Signifikatoren als die gesellschaftlichen Planeten Jupiter und Saturn. Deshalb wurde ihre Konjunktion auch von alters her genau beobachtet und im Hinblick auf gesellschaftliche Veränderungen gedeutet. Sehr grob vereinfacht kann man während der Konjunktionen in Wasserzeichen eine Betonung des Spirituellen, Emotionalen und Religiösen erwarten. Der Beginn des Islam fand z.B. in diesen Zeiten statt. Im Feuerelement stehen die Zeichen auf Neubeginn, Expansion und Gründung neuer politischer Strukturen. So fiel z.B. die Kaiserkrönung Karls des Großen im Jahre 800 in dieses Element. Für die Prognose der nächsten 200 Jahre wird traditionell ein Horoskop zum Zeitpunkt der ersten Konjunktion in einem neuen Element erstellt und gedeutet.
Wir haben die letzten 200 Jahre (genauer gesagt seit dem 17.7.1802) in Erdzeichen verbracht. Am 19.6.1821 gab es mit einer Konjunktion im Widder noch einen letzten Rückfall ins vorherige Feuerelement, aber danach erfolgten die Konjunktionen von Jupiter und Saturn nur noch in den Zeichen Jungfrau, Stier und Steinbock. In diesem Element beobachtet man eine Konsolidierung des Bestehenden und eine Betonung des Materiellen. Es ist eine Zeit des wachsenden Wohlstands.
Jetzt sind wir am Übergang ins Luftelement angekommen. Wobei diese Aussage bei Astrologen schon wieder Kopfschütteln auslösen würde, denn 1981 gab es wegen der Rückläufigkeit der Planeten eine Dreifachkonjunktion in der Waage (genauer gesagt am 31.12.1980, 4.3.1981 und am 24.7.1981). Dies war der Beginn der Konjunktionen im Luftelement und die darauffolgende Konjunktion im Stier einfach ein Rückfall ins vorherige Element. Wer also bei der heutigen Konjunktion im Wassermann ein neues Zeitalter ausruft, ist leider 40 Jahre zu spät dran. (Hoffentlich liest das hier jemand vom lokalen Anzeigenblatt….)
Was ändert sich beim Übergang von den Erdzeichen in die Luftzeichen? Das Materielle verliert an Bedeutung, stattdessen wendet sich das Interesse dem Ideellen und Ideologischen zu. Alles gerät in Bewegung (z.B. fand die Völkerwanderung in einer Luftepoche statt) und die Stabilität der Erdzeichen löst sich auf. Der letzte Übergang vom Erd- ins Luftelement fand am 12.11.1186 statt und markiert den Übergang von der Romanik mit ihren massigen, dunklen Bauten zur aufstrebenden lichtdurchfluteten Gotik. Aber es änderte sich nicht nur der Baustil, auch die gesellschaftliche Struktur wurde durchlässiger und ‚luftiger‘. Während vorher der Stand eines Menschen mit der Geburt festgelegt war und politische Mitbestimmung an Grund und Boden in Form von Lehen gebunden war, entstanden in dieser Zeit die ersten freien Städte. Die Landwirtschaft war nicht mehr der einzige Erwerbszeig, es entwickelten sich Handwerk und Handel. Der Adel und die Kirche verloren einen Teil ihrer Macht an reiche Handelsdynastien (wie die Fugger) und an eine bürgerliche Selbstverwaltung (oft in Zünften organisiert) in den Städten. In der Luftepoche entstanden auch die ersten Banken und Universitäten, die das Bildungsmonopol der Klöster beendeten. Aber auch die Inquisition ist ein Kind des Luftelementes – ‚falsches Denken und Glauben‘ wurde mit dem Tode bestraft.
Und heute? Das Internet mit seinen Möglichkeiten der Kommunikation und Information ist sicher dem Luftelement zuzuordnen. Es zeichnet sich seit etwa 1980 ab, daß die endlose Produktion von Gütern uns nicht mehr weiterbringt. Die älteren von uns erinnern sich jetzt sicher an den Club of Rome. Zu den Gewinnern der Zeit gehören die Unternehmen, die gar nichts mehr produzieren, wie z.B. Google, Facebook und Amazon. Geld existiert zu einem großen Teil nur noch virtuell in den Rechnern der Banken. Ein wirklicher materieller Gegenwert zu gehandelten Wertpapieren fehlt oft. Einige Schattenseiten des Luftelements sehen wir inzwischen schon sehr deutlich (Stichworte wären z.B.: ‚staatliche Überwachung‘, ‚politische Korrektheit‘, ‚religiöser Fanatismus‘ und ‚gläserner Kunde‘). Vielleicht können, im Gegensatz zum Übergang im Jahre 1186, ja diesmal religiöse und politische Dogmen zugunsten freiheitlicher Ideale überwunden werden? Wir gehen spannenden Zeiten entgegen.
Wer jetzt neugierig geworden ist auf die Konjunktionshoroskope, denen man detailliertere Prognosen für die kommenden 200 Jahre entnehmen kann, der sei an diesen Link verwiesen: http://www.astrotexte.ch/sources/jupsat.html. Wünsche allen eine schöne Wintersonnwende.
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