Letzte Woche war ich seit langer Zeit mal wieder in der Kölner City, um mir im obersten Stockwerk einer großen Buchhandlung einen Überblick über den Stand der Veröffentlichungen auf dem deutschen Magieliteraturmarkt zu verschaffen. Was schreibt und liest man als Magier heutzutage so? Das entsprechende Regal schien seit dem letzten Besuch schmaler geworden zu sein - eingezwängt zwischen Regalen mit Duftkerzen, Räucherstäbchen und Tee. Alles mit künstlichen Duftstoffen und deshalb für magische Zwecke unbrauchbar. Wegen der olfaktorischen Belastung war es eine echte Herausforderung dort länger zu verweilen.
Während früher das Magieregal von der durch den Golden Dawn geprägten Ritualmagie dominiert war, habe ich diesmal gar nichts mehr über westliche Ritualmagie gefunden. Scheint komplett ‚out‘ zu sein. Unsereins hat sich in der Ausbildung noch durch den Bardon gequält – der wird gar nicht mehr aufgelegt. Jetzt dominieren Hexenbücher das Regal. Da scheine ich also vor fast 10 Jahren bei der Gründung dieses Unternehmens den Zeitgeist richtig gedeutet zu haben. Hexenkunst ist inzwischen ‚in‘.
Allerdings sind die Hexenbücher nicht mehr das, was man früher von Cunningham (wird der noch aufgelegt?) kannte. Es gibt darin ganzseitige Landschaftsfotos und Kamillenshampoo-Rezepte für strapaziertes Haar, aber mit ganz normalem Shampoo inklusive Silikonöl, Propylenglycol, Polyethylenglycol, Parabenen und Natriumlaurylsulfat als Grundlage. Da werden die Haare wohl trotz der Kamille strapaziert bleiben… Rezepte für Flugsalbe fehlen komplett.
Die Rituale in den Büchern (‚Schreib Deine Wünsche auf ein Stückchen Birkenrinde…‘) sind psychologisch konzipiert, nicht nach magischen Prinzipien. Es gibt keine Hinweise für den inneren Teil des Rituals. In welchem Bewußtseinszustand macht man was? Wie erreicht man die nötige Trancetiefe? Was visualisiert man wann? Wann sollte der Fokus weit sein, um Kontakt mit feinstofflichen Wesenheiten zu ermöglichen? Wie bewegt sich die Energie im Ritual? Auch Hilfestellungen zu Konzentration, feinstofflicher Wahrnehmung und Traumarbeit sucht man in den Büchern vergeblich. Wie kommen moderne Hexen zum Sabbat? Oder will man dort heutzutage gar nicht mehr hin?
Die inneren Techniken (Meditation, Konzentration etc.) fand man dann ein Regal weiter, hinter dem Tee, unter ‚Spiritualität‘. Dort waren diese Techniken aber nicht auf magische Praktiken ausgerichtet. Ambitionierte Anfänger stehen heute also vor der herausfordernden Aufgabe diese beiden Regale in ihrer Praxis zusammen zu führen. Effektive magische Rituale brauchen beides: die äußeren Handlungen mit den richtigen Materialien (wie der Birkenrinde) und die inneren Techniken, für die man einen geschulten Geist und Körper benötigt.
Seit diesem Ausflug ist klar: es müßte ein Buch geben, um die Lücken zwischen den Regalen zu schließen. Vielleicht sollte ich es selbst schreiben? Mal etwas besser machen, anstatt nur rumzumäkeln? Wie man Hexenhaare ohne Silikonöl, Propylenglycol, Polyethylenglycol, Parabene und Natriumlaurylsulfat wäscht, könnte auch drinstehen. Es scheint Bedarf dafür zu geben…
Wünsche allseits ein schönes Lammasfest!
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