Hexenkunst-Blog

21.06.2023 – Sommersonnwende

Um die Sonnwende ranken sich viele Geschichten. Während man in der christlichen Mythologie heute den Johannistag als Geburtstag von Johannes dem Täufer begeht, feiert man in der keltischen Tradition die Geburt des ‚Holly King‘.

 

Bei uns würde man nicht vom ‚Ilex (Ilex Aquafolium) König‘, sondern eher vom Habichts- oder Winterkönig sprechen. Sein Gegenpol ist der ‚Oak King‘, der an der Wintersonnwende zur Welt kommt und jetzt auf dem Höhepunkt seiner Macht steht. Er entspricht bei uns dem Sommer- oder Hirschkönig, für den die Eiche (Quercus Robur) ein treffliches Symbol darstellt.

 

Zurzeit wird die Welt vom energetischen Einfluß des Sommerkönigs beherrscht. Die Sonne hat Ihren Höchststand erreicht und heute ist der längste Tag des Jahres. Der Sommerkönig trägt auf bildlichen Darstellungen oft einen Kranz aus Eichenblättern im Haar oder sein Gesicht ist aus Eichenblättern zusammengesetzt. Er bringt Fruchtbarkeit und Überfluß mit sich. Unter seinem Einfluß wächst und gedeiht alles.

 

Der Sommer hat bei uns gerade erst angefangen und die heißesten Tage liegen noch vor uns. Zu keiner Jahreszeit fühlt man sich weiter vom Winter entfernt als jetzt. Es spricht für die Weisheit unserer Vorfahren, daß sie die Geburt des Winterkönigs ausgerechnet auf diesen Tag gelegt haben. Ihr Verständnis für Dualität war genauso ausgereift, wie das der Erfinder des Yin-Yang Symbols, nur daß man bei uns zur Überlieferung solcher Weisheiten nicht die Symbolsprache genutzt hat, sondern die mythologische Geschichte. Auf dem Höhepunkt der Macht des einen Prinzips entsteht der Same seines Gegenpols, genauso wie der schwarze Punkt in der Mitte der weißen Hälfte des Yin-Yang Symbols. 

Der Winterkönig ist keineswegs der Bösewicht der Geschichte, sondern der notwendige Gegenpol zum Sommerkönig. Er gewährt uns seinen Schutz unter den widrigen winterlichen Bedingungen und lenkt unseren Blick nach innen und in die Anderswelt. Die immergrünen Blätter des Ilex sind ein Versprechen, daß das Leben weiter geht.

 

Während die Kraft des Sommerkönigs in den nächsten Wochen noch unbemerkt abnimmt, wächst der Winterkönig langsam heran, um die Herrschaft dann am Herbstequinox zu übernehmen. Der Sommerkönig stirbt danach (in den meisten Überlieferungen an Samhain) und wartet in der Unterwelt auf seine Wiedergeburt zur Wintersonnwende. Das der Verfall eines Prinzips auf dem Höhepunkt seiner Macht beginnt und anfangs noch gar nicht bemerkt werden kann, ist auch eine weise Erkenntnis unserer Ahnen.

 

Und was machen wir aus all den Weisheiten? Moderne Geschichten, wie sie uns in Büchern und Filmen präsentiert werden, zeugen meist von viel weniger Verständnis für die Dualität. Da wird der Kampf des Lichtes gegen die Dunkelheit schon automatisch mit ‚gut gegen böse‘ gleichgesetzt. Oder der ‚böse‘, dunkle Gegenpol wird so weit verdrängt, daß man mit Jesus und Johannis dem Täufer zwei Protagonisten hat, die sich höchstens um einige Nuancen an Helligkeit unterscheiden.

 

Leider macht dieses eher verquere Verständnis von Dualität auch vor Hexen nicht halt. Schließlich feiern die meisten von uns heute nicht in erster Linie die Geburt des Winterkönigs, sondern den Höhepunkt der Macht des Sommerkönigs. Zur Wintersonnwende wird dann ausgiebig der Geburt des Sommerkönigs gedacht, anstatt die Macht des Winterkönigs zu feiern. Auch wir haben unsere blinden Flecke. Vergänglichkeit verursacht eben meist Angst, auch wenn man daran glaubt, daß jedes Ende einen neuen Anfang ermöglicht.

 

In diesem Sinne wünsche ich allen eine schöne Sommersonnwende. Hoch die Tassen – auch auf den Holly King.         

 

 


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